Trockenbau

Hoffen auf 2025

Trockenbau
26.03.2024

Die Trockenbauer sind heuer wie kaum eine andere Branche der Bauwirtschaft von der Wohnbaukrise betroffen. So schnell wird ihnen auch das Wohnbaupaket der Regierung nicht helfen. Um gegenzusteuern setzt man auf Produkt-Innovationen – und baut auf mehr Aufträge im Bereich der Sanierung.

Die Nachricht ist gut. Aber sie kam spät – und ihre Auswirkungen werden noch später zu spüren sein. So oder so ähnlich lässt sich die Reaktion der Trockenbauer auf das Wohnbaupaket der Bundesregierung beschreiben, das Mitte März 2024 beschlossen worden ist. Die Trockenbauer sind heuer wie kaum eine andere Branche der Bauwirtschaft vom massiven Einbruch im Wohnbau betroffen.

Manfred Schreiner, Trockenbauunternehmer und Präsident der Branchenvereinigung VÖTB, schätzt, dass die Branche 2024 einen Umsatzrückgang von 30 bis 40 Prozent hinnehmen muss (siehe auch das Interview auf Seite 34 und 35 dieser Ausgabe). Der Markt „hat schon 2023 begonnen zu schwächeln. Aber davon waren wir noch nicht so stark betroffen. Der Innenausbau spürt Marktschwankungen in der Regel mit einer Verzögerung von rund einem halben bis dreiviertel Jahr.“, meint Schreiner. „Heuer schaut es anders aus. Bei den Trockenbauern, die stark auf den Wohnbau setzen, sind die Auftragsbücher maximal zur Hälfte gefüllt.“

Doris Enzensberger-Gasser, geschäftsführende Gesellschafterin des Grazer Bauunternehmens Lieb Bau Weiz formuliert es folgendermaßen: „Die gesamte Bauwirtschaft ist von der Wohnbauflaute extrem betroffen. Im Trockenbau spürt man die rückläufigen Baustarts natürlich erst etwas zeitverzögert“, meint sie und ergänzt: „Dennoch dürfen wir in unserem Haus auf eine bis dato stabile Auftragslage blicken, da wir schon früh unseren Schwerpunkt auf den öffentlichen Bereich und die Altbausanierung gelegt haben.“

Raschere Umsetzung gewünscht

Enzensberger-Gasser wünscht sich eine raschere Umsetzung des Wohnbaupakets: „Grundsätzlich war es höchste Zeit, dass diese Thematik auch politisch aufgenommen wird. Die Ankündigung, die Maßnahmen erst Mitte des Jahres zu realisieren, hat jedoch dramatische Konsequenzen für den Beginn von Bauvorhaben im Frühjahr“, so Enzensberger-Gasser. „Sowohl private als auch gewerbliche Bauherren warten mit Entscheidungen dadurch zu, was zu weiteren Verzögerungen am Bau führt.“ Die Bauunternehmerin fordert daher „eine Beschleunigung und sofortige Aktivierung der Anreize“.

Die „aktuell herausfordernde Situation in der Bauwirtschaft ist natürlich auch bei uns deutlich spürbar“, sagt Michael Allesch, Geschäftsführer Marketing & Vertrieb bei Saint-Gobain Austria für die Marken Isover und Rigips. Er verweist auf die „Einlagerungseffekte im Handel sowie die Investitionszurückhaltung aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage“.

Allesch begrüßt die Initiative der Bundesregierung. Sie werde „hoffentlich dazu führen, dem Wohnungsneubau deutlich auf die Sprünge zu helfen“. Saint-Gobain Austria liegt der Wohnbau naturgemäß sehr am Herzen und engagiert sich für ihn. Das Unternehmen ist Mitglied der Initiative „Mehr Zuhaus´ in Österreich“, in der sich knapp 20 Organisationen und Unternehmen aus der Bauwirtschaft und der Baustoffindustrie zusammengeschlossen haben, um den Wohnbau in Österreich zu fördern – neben der Bundesinnung Bau in der WKÖ sind weitere prominente Namen wie Baumit, Holcim oder Wienerberger vertreten.

Beim Baustoff- und Bausystemhersteller Knauf zeigt man sich sachlich und zuversichtlich: „Nach mehreren guten Jahren des Wachstums ist auch die Trockenbaubranche mit Rückgängen konfrontiert, speziell aufgrund des Rückgangs im Bereich des mehrgeschossigen Wohnbaus“, so Ingrid Janker, Geschäftsführerin Knauf Österreich und Slowenien. „Das Wohnbaupaket wird der Branche mit Sicherheit helfen, rascher aus der Flaute herauszukommen und den aufgrund des Bevölkerungswachstums notwendigen Wohnraum in ausreichender Zahl zur Verfügung stellen zu können.“ Janker geht davon aus, dass das Wohnbaupaket bereits im Jahr 2025 zu „einer Stabilisierung“ des Marktes führen wird.

Im laufenden Geschäftsjahr konzentriert man sich bei Knauf „auf die Auslastung unserer neuesten Produktion – einer Anlage für pastöse Spachtelmassen“. Diese „hochwertigen Produkte“ vertreibt Knauf nicht nur in Österreich, sondern exportiert sie auch „zu einem großen Teil“. Das Unternehmen setzt stark auf Qualität und Innovation – und investiert auch heuer in Produkt- und Systementwicklungen. Janker: „Einer unserer absoluten USPs ist die Knauf Außenwand (KAW), eine Leichtbaukonstruktion, die bei Gesamtgebäudebetrachtung bis zu 20 Prozent Primärkosten sparen kann.“ Dies, so die Knauf-Managerin, führe zu einer „massiven Ressourcen- und CO2-Einsparung“.

Mit dem Wandsystem W111.at DIA70 bringt Knauf im laufenden Jahr eine weitere Neuheit auf den Markt. Dabei handelt es sich um eine Trockenbauwand, die lauf Knauf aufgrund von neuen Abmessungen des Metallständerprofils und dem Einsatz einer 15 Millimeter dünnen Diamantplatte die Einsparung einer ganzen Gipsplatte ermöglicht. Janker: „Weniger kann somit manchmal auch mehr sein.“

Saint-Gobain Manager Allesch ist ebenfalls davon überzeugt, dass „Qualität und fachliche Kompetenz“ am Markt „gefragter sind denn je. Daher setzen wir mit unserem Schulungsangebot noch stärker als bisher auf das Thema Weiterqualifizierung für den Trockenbau.“ Mit den Marken Isover, Rigips und Weber Terranova ist das Unternehmen in Österreich breit aufgestellt – und tue sich, so Allesch, derzeit „natürlich etwas leichter“. Saint-Gobain bearbeite „vermehrt Sanierungsprojekte im Bereich Trockenausbau“, für die in den Boomjahren „die Kapazitäten gefehlt haben“. Vom Anziehen der Sanierungsaufträge profitiere man bei den Isover-Dämmstoffen. Zudem erhofft sich der Saint-Gobain-Austria-Geschäftsführer durch die Erhöhung der Fördertöpfe im Bereich thermische Sanierung „positive Effekte für unsere Weber Terranova Systeme“.

Das Unternehmen fasst die Produkte seines Trockenbausystems seit kurzem unter der Marke „Rigips room“ zusammen. Allesch sieht Saint-Gobain damit „top aufgestellt“. Er betont, dass man als „erster österreichischer Hersteller“ über Umweltproduktdeklarationen – sogenannte EDPs – für das komplette Trockenbausystem verfüge. Dem schwächelnden Markt will man mit Produktinnovationen entgegentreten: So hat Saint-Gobain die Spezial Rigips-Platte Glasroc X auf den Markt gebracht, die für den Einsatz in Feucht- und Nassräumen gedacht ist. Im Unterschied zu herkömmlichen Gipskartonplatten besitzt Glasroc X einen glasfaserverstärkten Kern, der von einem imprägnierten Glasvlies umgeben ist.

Bei Lieb Bau Weiz setzt man auf eine möglichst breite Abdeckung des Marktes. „Unser Unternehmen steht für Kompetenz in der Vielfalt“, formuliert es Geschäftsführerin Enzensberger-Gasser. „Das umschließt nicht nur unsere vielen Sparten, sondern auch unser hochqualifiziertes Fachpersonal.“ Man sei in der Lage, ein großes Spektrum von Projekten abzudecken – „vom Einfamilienhaus bis zum Krankenhausbau“, wie beispielsweise der Auftrag für die Umsetzung der Radiologie des LKH Graz im Bereich Trockenausbau. Dabei kommen, so Enzensberger-Gasser weiter, vermehrt innovative Lösungen zum Einsatz: „Durch Betonkernaktivierung werden zunehmend Metalllamellendecken ausgeführt, also offene Deckensysteme, die auch optisch sehr ansprechend und dadurch in der Architektur gefragt sind.“ Im Akustikbereich „gelangen zunehmend Holzwolleleichtbauplatten zur Schallabsorption zum Einsatz.

Immer größere Bedeutung hat auch für die Trockenbauer das Thema Nachhaltigkeit. Diesem habe man sich „bereits vor Jahrzehnten angenommen, um beispielsweise im Abfallmanagement auf der Baustelle effizienter zu werden oder Abfälle wiederverwerten zu können“, so Enzensberger-Gasser. Ihre Erwartungshaltung: „Diese Entwicklung schreitet stetig voran.“ Als Vorreiter sehen sich Knauf und Saint-Gobain. Knauf hat im März ein neues Logistikkonzept für den Rohstoff Gips lanciert. Geschäftsführerin Janker: „Mit unseren Partnern Innofreight und Silo Riedl schaffen wir es nun in Kombination von E-LKWs, Bahntransport und dafür speziell konzipierten Containern den CO2-Ausstoß dieser Transporte um 90 Prozent zu reduzieren.“ Knauf nutzt die Cloud-Plattform Madaster, um Zugang zu Produktdaten zu erhalten und so die Zusammensetzung von Materialien nachhaltig planen, optimieren und ausführen zu können.

Saint-Gobain will bis “spätestens 2025“ die „völlige CO2-Neutralität“ erreicht haben. „Dieses ehrgeizige Ziel ist in viele messbare Milestones unterteilt“, so Geschäftsführer Allesch. Man habe in den vergangenen 25 Jahren bereits „große Anstrengungen unternommen, um sämtliche Unternehmensbereiche nachhaltiger zu gestalten“. So habe man CO2-intensive Rohstoffe reduziert oder ersetzt und Energie durch die Nutzung von Abwärme eingespart. Wie Knauf adressiert auch Saint-Gobain den Bereich Logistik: Der Einsatz von Telematik-Systemen oder der Transport mit der Bahn hilft, CO2 zu sparen.

Einen besonderen Fokus legt das Unternehmen auf die Kreislaufwirtschaft. Saint-Gobain errichtet derzeit gemeinsam mit dem Baukonzern Porr und dem Entsorgungs-Experten Saubermacher die erste Gips-zu-Gips-Recyclinganlage Österreichs. Diese Anlage soll über eine Jahreskapazität von rund 60.000 Tonnen verfügen und damit in der Lage sein, den Bedarf im Osten Österreichs abzudecken. Allesch: „Damit werden nicht nur die verfügbaren Rohstoffvorkommen, sondern auch das begrenzte Deponievolumen geschont.“

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